Eine verpasste Chance für Europa
von Tom Waiz
Bei den Verhandlungen zur Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) zeichnet sich kein Wandel zu Gunsten der kleinstrukturierten Landwirtschaft ab.
Die Europäische Landwirtschaftspolitik ist nicht nur die Grundlage unserer Lebensmittelproduktion, sondern auch der zweitgrößte Posten im EU-Haushalt und damit ein wichtiger Faktor in der Erreichung der EU-Klimaziele. Seit Oktober verhandeln das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union, bestehend aus den Landwirtschaftsminister*innen der Mitgliedsstaaten und die Kommis-sion im sogenannten Trilog über die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP). Im Zentrum steht die Frage, wie die europäischen Gelder verteilt werden und damit auch, welche Art der landwirtschaftlichen Produktion in Europa zukünftig gefördert werden soll. Gemeinsam mit meinen Kolleg*innen von den Grünen im Europäi-schen Parlament kämpfe ich für eine regionale, kleinteilige, umwelt- und
klimafreundliche europäische Landwirtschaft. Noch sind die Verhandlungen nicht zu Ende, doch eines lässt sich schon jetzt mit trauriger Gewissheit sagen: Diese GAP ist eine verpasste Chance für Europa.
Die größten Problemfelder
Die GAP besteht aus zwei Säulen. Die erste beinhaltet Direktzahlungen, sogenannte Flächenprämien. Sie werden pro Hektar Fläche ausbezahlt. Das führt dazu, dass industrialisierte Großbetriebe mehr Geld erhalten als kleine landwirtschaftliche Betriebe. Im europäischen Schnitt gehen fast 80% der Gelder an 20% der Betriebe.
Die Grünen fordern, Flächenprämien mit einem Maximum von 60.000 Euro zu beschränken. Das Europäische Parlament und die Kommission wollen die Zahlungen ab 60.000 Euro graduell reduzieren und mit 100.000 Euro begrenzen. Der Rat lehnt selbst das ab und setzt sich stattdessen für eine freiwillige Reduktion ein. Auch die österreichische Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger hat in dieser Frage keine klare Position bezogen.
Die zweite, wesentlich kleiner dotierte Säule ist zur Förderung der länd-lichen Entwicklung, Ökolandbau und Umweltmaßnahmen da. Wir Grünen fordern schon sehr lange, dass zumindest 50% der GAP-Förderungen in Umweltschutzmaßnahmen fließen sollten. Die Europäischen Landwirtschaftsminister*innen hingegen wollen nur ein Maximum von 20% aller GAP-Zahlungen an Umweltschutzmaßnahmen knüpfen. Das Europäische Parlament hat außerdem vorgeschlagen, GAP-Zahlungen für jene Betriebe zu kürzen, die bei der Beschäftigung ihrer Erntehelfer:innen gegen nationale Sozial- und Arbeitsgesetze ver- stoßen.
Die Europäischen Landwirtschaftsminister*innen, angeführt von der österreichischen Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger,
lehnen das ab.
Was nun?
Eines ist klar: Aus den Trilogverhandlungen wird die GAP nur noch ge-
schwächter hervorgehen. Wir wissen schon jetzt, dass weder höhere Tierwohlstandards, noch Reduktionsziele für Kunstdünger, Pestizide oder den Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung festgesetzt werden. Die mühsam ausverhandelten Umweltziele der EU, zum Beispiel aus der Farm-to-Fork-Strategie, der Biodiversitätsstrategie, oder dem Green Deal der EU-Kommission wurden nicht berücksichtigt.
Uns bleibt nur noch eine Möglichkeit: Die Kommission muss die
GAP zurückziehen und neu verhandeln für einen echten Wandel in der Europäischen Landwirtschaft: Weg von großen industrialisierten Massenbetrieben hin zu kleinstrukturierter, regionaler Landwirtschaft.
THOMAS WAITZ
ist Bio-Bauer, Forstwirt, Imker und leidenschaftlicher EU-Abgeordneter der Grünen Österreich.
Über die Fortschritte in den GAP-Verhandlungen informiert er auch auf
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