Wärme ohne Therme?
In gut gedämmten Neubauten ist die Energie fürs Heizen kein großes Thema mehr. Bis 2040 sollen aber auch ältere Gebäude ohne Gas und Heizöl warm werden. Wie soll das in einem Gründerzeitviertel gehen?
An den kalten Herbst- und Wintertagen hört man es in vielen Haushalten im Bezirk: Das leise Rauschen der Gastherme, die das Wasser in den Heizkörpern auf heiße 70 Grad bringt. Die Abgase entweichen geruchlos, aber so sauber, wie die Werbung der Energie-Konzerne uns das Erdgas lange verkaufen wollte, ist es nicht. Natürlich entsteht bei der Verbrennung Kohlendioxid (CO2) und das Methan, aus dem unser Erdgas besteht, ist ein noch wirksameres Treibhausgas, wenn es unterwegs aus den Leitungen entkommt. Wir müssen also weg von den Gasheizungen, wenn wir das Ziel einer „klimaneutralen“ Stadt erreichen wollen. „Dekarbonisierung“ heißt das im Fachjargon. Einfach wird das nicht und für Privatpersonen in der Stadt ist es oft unmöglich ihr Heizsystem auf eigene Faust umzustellen. Das ist nicht neu, aber die für 2022 geplante CO2-Abgabe der Bundesregierung hat als Kollateralnutzen bereits jetzt den Fokus auf diese Tatsache gelenkt. Denn der Einzelne kann den steigenden Gaspreisen schwer entkommen, ob mit oder ohne Abgabe. Im 3. Bezirk betrifft das laut Wien Energie rund 23.000 Haushalte und rund 3.300 Unternehmen, die einen Gasanschluss haben.
„Grüne“ Fernwärme?
Wie sooft in der Klimakrise ist also die Politik gefragt, die Vorgaben für einen Systemwechsel macht. Zuerst stellt sich aber die Frage, welche technischen Alternativen es mitten in der Stadt zur fossilen Energie gibt. Am geläufigsten ist wohl die Fernwärme, die von der Wien Energie als „Grüne Wärme“ vermarktet wird. Ganz so stimmt das nicht, denn der Löwenanteil der Energie stammt derzeit auch hier aus Erdgas und der Müllverbrennung. Das kann sich natürlich ändern, aber das Potenzial ist begrenzt. In einer Studie der Wien Energie schätzt man etwa 56 Prozent des Wärmebedarfes der Stadt, den eine ökologisch umgebaute Fernwärme bis 2040 leisten kann.
Wärme aus dem Boden (Geothermie), Biomasse (sprich: Holz) und Abwärme von Unternehmen müssten das Netz dann durch den Winter bringen. Doch für die restlichen 44 Prozent müssen andere Lösungen gefunden werden. Und gleich vorweg: Keine große Rolle wird dabei wohl das „Grüne Gas“ spielen, das aus Biomasse oder mittels Synthese hergestellt wird. Es sei der „Champagner der Energiewende“ und bleibe für Industrie-Prozesse reserviert, wie Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) bereits klargestellt hat.
Grabe, wo du stehst
Eine realistischere Alternative sind die so genannten „Anergie-Netze“. Anergie ist ein Begriff aus der Thermodynamik und bezeichnet vereinfacht gesagt die Umgebungswärme im Boden, in der Luft und in Gewässern. Den Häusern in der dicht bebauten Stadt bleibt in der Regel nur der Boden, auf dem sie stehen, als Energiequelle, um sich selbst versorgen zu können. Die Wärmepumpen schicken dabei Wasser in mehrere Tiefenbohrungen von bis zu 100 Metern im Innenhof und holen es leicht erwärmt wieder nach oben. Wie bei einem umgekehrten Kühlschrank wird dem Wasser die Wärme entzogen und komprimiert, damit die entstehenden Temperaturen von etwa 25 Grad für eine Fußbodenheizung reichen.
Bei einem Pilotprojekt in der Hernalser Geblergasse wurde dieses System gleich für einen ganzen Gründerzeit-Häuserblock umgesetzt. Neu daran ist, dass im Sommer das System als Kühlung funktioniert. Damit wird die überschüssige Wärme aus den Wohnungen wieder ins Erdreich geschickt. Der nötige Strom für die Wärmepumpen kommt von Solarpaneelen auf den Dächern.
Die Politik macht Druck
Was sich technisch relativ einfach anhört, ist in der Umsetzung alles andere als trivial. Wie bringe ich mehrere Eigentümer:innen dazu, viel Geld in die Hand zu nehmen, um in ihren Häusern das Heizsystem umzubauen? „Ab 2040 wird laut dem geplanten Erneuerbare-Wärme-Gesetz das Heizen mit Gas nicht mehr erlaubt sein. Damit bekommen die Gebäudeeigentümer einen Handlungsdruck“, sagt Gerhard Bayer von der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT). „Wenn die Gebäudebesitzer:innen erkennen, dass sie einer Dekarbonisierung nicht entgehen können, wächst das Interesse an solchen Systemen teilzunehmen.“ Sich an ein Anergie-Netz anzuschließen sei da immer noch einfacher und billiger, als sich alleine als Eigentümerin oder Hausgemeinschaft um eine Lösung zu kümmern.
Voraussetzung sei aber eine Wärmedämmung der Häuser, um den Energieverbrauch stark zu senken, räumt Bayer ein. Und bei Altbauten mit klassischer gegliederter Fassade, bei denen das nicht möglich ist? „Auch hier können hofseitige Mauern und das Dachgeschoß gedämmt werden, oder hocheffiziente Fenster mit gedämmten Laibungen eingebaut werden“, schlägt der Experte vor. Bei diesen Häusern müsste die Heizwassertemperatur aber auf bis zu 50 Grad gebracht werden, um die Wärmeverluste auszugleichen. Technisch möglich wäre auch das Anergie-Netz mit der Fernwärme zu kombinieren, die dann bei besonders kalten Temperaturen „einspringt“. Sich einfach als Häuserblock an das Fernwärmenetz anzuhängen, wird wegen der limitierten Leistungsfähigkeit nicht für alle gehen.
„Eine sinnvolle Strategie ist daher: Wo immer es technisch zweckmäßig ist, dass Anergie mittels Wärmepumpen verwendet wird, dort sollte dies gemacht werden. Der Rest wird mit der begrenzten Fernwärme gedeckt“, ist Bayers Fazit. Eine aktuelle Nachricht zum Thema Geothermie erreichte uns im November: Mit einem neuen Ortungssystem haben Forscher:innen unter der Donaustadt und Simmering ein riesiges Heißwasservorkommen in 3000 Metern Tiefe entdeckt. Ob dieses eines Tages zum Heizen der Stadt eingesetzt werden kann, werden erst die kommenden Erkundungsbohrungen zeigen.
Warten kostet Geld
Bis 2040 ist es noch eine Weile hin, werden jetzt einige meinen. Bedenken sollte man aber, dass so ein Systemwechsel Jahre brauchen kann, bis er in die Umsetzung kommt. Die Eigentümer:innen müssen zunächst ins Boot geholt werden und sollte eine Fernwärmeleitung nötig sein, ist mit einer längeren Vorlaufzeit zu rechnen. Zudem ist es nur begrenzt sinnvoll, in den nächsten Jahren viel Geld in neue Gasthermen und deren Wartung zu stecken, wenn klar ist, dass ohnehin in ein neues System investiert werden muss. Laut Berechnungen der ÖGUT würden sich die Kosten für ein Anergie-Netz auf 20 Jahre gerechnet und ein Weiterführen der Gasheizungen ziemlich die Waage halten. Die Fernwärme wäre etwas teurer. Um die hohen Investitionskosten bei einem Umbau finanzieren zu können, haben sich so genannte Contracting-Modelle bewährt. Ein Dienstleister übernimmt die Umsetzung, Wartung und die Finanzierung und die Auftraggeber:innen zahlen dann über mehrere Jahre die Investitionen ab. Förderung für den Heizungstausch bei einem Mehrparteienhaus gibt es vom Bundesministerium für Klimaschutz.
Block für Block
Wir als Grüne im Bezirk sehen unsere Aufgabe zunächst darin, mehr Bewusstsein für das Thema zu schaffen und aufzuzeigen, wie ein klimaneutral beheizter Bezirk aussehen kann. Die Stadt wiederum könnte weitere Projekte wie in Hernals anstoßen und finanziell fördern. Direkt verantwortlich ist sie für die mehr als 100.000 Gemeindebauwohnungen, die noch auf eine fossile Heizung angewiesen sind. Laut Wiener Wohnen werden jedes Jahr rund 1.000 frei werdende Wohnungen auf Fernwärme umgestellt. In diesem Tempo würde es also noch über 100 Jahre dauern, bis in den Gemeindebauten keine Gasthermen mehr hängen. Hier müssen dringend ambitioniertere Ziele her. Für unseren Bezirk vorstellbar wäre auch ein Modellgrätzel, wo in den nächsten zehn Jahren ein Häuserblock nach dem anderen untersucht wird und ein passendes Energiekonzept bekommt. Mit einer klaren Perspektive fällt es dann auch leichter, die vertraute Gastherme eines Tages gehen zu lassen.